Forschungsprojekt

Zionismus und Humanismus in dunkler Zeit: Robert Weltsch (1891–1982) – eine politische Biografie

Ziel des Projekts ist eine politische Biografie des aus Prag stammenden jüdischen Publizisten, zionistischen Politikers und Historikers Robert Weltsch (1891-1982) im Kontext der vielstimmigen Debatten über Wesen, Ziel und ethische Grundlagen eines jüdischen Nationalismus vom Ersten Weltkrieg bis in die Zeit nach der Staatsgründung Israels. Als junger Intellektueller, der stark von Martin Bubers kulturzionistischen Bestrebungen beeinflusst war, unternahm es Weltsch gemeinsam mit anderen deutsch-jüdischen Weggenossen, inmitten der Verwerfungen, Krisen, Kriege und Verbrechen des 20. Jahrhunderts den gewalttätigen europäischen Nationalismen und dem kolonialen Imperialismus der Zeit, aber auch nationalistischen Tendenzen innerhalb der zeitgenössischen zionistischen Bewegung, ein alternatives, auf jüdischen und humanistischen Werten beruhendes Verständnis nationaler Existenz entgegenzusetzen.

Die Biografie beruht auf dem publizistischen Œuvre Weltschs, insbesondere seinen Leitartikeln in der zionistischen Zeitschrift Jüdische Rundschau aus den Jahren der Weimarer Republik und der nationalsozialistischen Herrschaft und seinen Beiträgen zur israelischen Zeitung Ha’aretz, seinen historischen Essays und einem umfangreichen Corpus bisher vollständig unbekannter Korrespondenzen mit zionistischen und nicht-zionistischen Akteuren aus sieben Jahrzehnten. Im Spiegel des Denkwegs Weltschs zielt die Biografie zugleich auf eine historische Würdigung der politischen Konzepte, Hoffnungen, Desillusionierungen und Brüche einer Strömung innerhalb der zionistischen Bewegung, die mit ihrer Vision einer friedlichen Koexistenz mit der arabischen Bevölkerung Palästinas jenseits nationalstaatlicher Machtstrukturen an der historischen Realität der Folgen des Zweiten Weltkriegs und der Shoah im Nahen Osten scheiterte. Die Erinnerung an die Geschichte dieser geträumten, utopischen Dimension des jüdischen Nationalismus gewinnt ihre Gegenwartsrelevanz aus den historischen und politischen Debatten innerhalb der heutigen israelischen Gesellschaft über mögliche Lösungswege aus den fortdauernden Konflikten im Nahen Osten. Sie verspricht zudem differenzierende Orientierung in den Diskursen über den Zionismus, über postkoloniale Kritik am Staat Israel und über das Verhältnis von Antizionismus und Antisemitismus.  Angesichts der bedrängenden Erfahrung von zunehmenden nationalen Konflikten und Kriegen in der Gegenwart soll sie nicht zuletzt zu kritischen Debatten über die Bedingungen, Möglichkeiten und Grenzen eines humanen, „ethischen Nationalismus“ und mit Blick auf multinationale und -ethnische Konstellationen innerhalb und zwischen staatlichen Gemeinschaften anregen.